Im Forschungsprojekt SWD.SOL klären die Forscher technische und organisatorische Fragen einer dezentralen Einspeisung von solarer Wärme in ein großes städtisches Fernwärmenetz. Dazu im Interview Solites-Projektleiter Thomas Schmidt.
Bei dem vom Bundeswirtschaftsministerium geförderten Verbundvorhaben SWD.SOL untersuchen fünf Projektpartner die technische und organisatorische Machbarkeit einer dezentralen Einspeisung von solarer Wärme in ein großes städtisches Fernwärmenetz. Die erzielten Projektergebnisse sollen die Entwicklungsmöglichkeiten und -notwendigkeiten für die deutsche Fernwärmebranche unter den Randbedingungen der Energiewende aufzeigen. Mit dem Projekt wollen die Partner außerdem Vorbehalte von Wärmeversorgern gegenüber Solaranlagen hinsichtlich stark schwankender Einspeisetemperaturen ausräumen. Neben den Stadtwerken Düsseldorf als Projektkoordinator sind die Rheinwohnungsbau GmbH Düsseldorf, der Fernwärmeverband AGFW, das Steinbeis Forschungsinstitut Solites und begleitend das Umweltamt der Stadt Düsseldorf beteiligt. Im Interview erläutert Solites-Projektleiter Thomas Schmidt die technischen Herausforderungen des Projekts.
Herr Schmidt, welche Maßnahmen umfasst das Projekt SWD.SOL?
Thomas Schmidt: Im Zuge des Vorhabens wurde in Düsseldorf eine Solarkollektoranlage mit 230 Quadratmetern Bruttokollektorfläche auf dem Flachdach eines neuen Mehrfamiliengebäudes der Rheinwohnungsbau GmbH montiert. Im Keller des Gebäudes sind zwei Übergabestationen installiert: eine für die Wärmeversorgung des Gebäudes aus dem Fernwärmenetz der Stadtwerke Düsseldorf und eine zweite, im folgenden Einspeisestation genannt, um die Wärme der Solarkollektoranlage in das Fernwärmenetz einspeisen zu können.
Was sind die wichtigsten Erkenntnisse aus dem Projekt SWD.SOL?
Schmidt: Die Realisierung der Solarkollektoranlage verlief weitgehend problemlos. Bei der Umsetzung der Einspeisestation führten wir zahlreiche Gespräche mit Herstellern von Fernwärme-Übergabestationen mit dem Ziel, deren Know-how einzubeziehen. Wir mussten allerdings feststellen, dass insbesondere die komplexe Regelaufgabe viele Hersteller abgeschreckt hat. Nach vielen Gesprächen haben wir schließlich eine Firma gefunden, die die Anlage für uns gebaut hat. Dieser Teil des Projektes war deutlich aufwändiger, als von uns zunächst angenommen, und hat bedeutend länger gedauert als geplant.
Die Anlage konnte so erst später als ursprünglich vorgesehen in Betrieb gehen. Die Untersuchungen an der Anlage konnten deshalb noch nicht so umfangreich und detailliert durchgeführt werden, wie nach dem ursprünglichen Zeitplan vorgesehen. Die bisherigen Betriebsergebnisse zeigen jedoch, dass die dezentrale Wärmeeinspeisung aus Solarthermie in großen Fernwärmenetzen und bei hohen Temperaturen von 90 Grad Celsius und mehr funktioniert.
Worin liegt die Schwierigkeit, Solarwärme direkt in ein Fernwärmenetz zu speisen?
Schmidt: Die besondere Herausforderung liegt darin, die eingespeiste Wärme den wechselnden technischen Randbedingungen an der Einspeisestelle bezüglich Druck und Temperatur anzupassen. Insbesondere die Drücke in den beiden Leitungen des Fernwärmenetzes beziehungsweise die Druckdifferenz zwischen der Vor- und der Rücklaufleitung sind je nach Lage der Einspeisestelle im Gesamtnetz und Art der Verbraucher in der näheren Umgebung zum Teil sehr starken und schnellen Änderungen unterworfen. Diese Druckdifferenz muss bei der Wärmeeinspeisung von einer Pumpe überwunden werden, um einen Volumenstrom vom Netzrücklauf in den Netzvorlauf zu erzeugen.
Die Höhe des Einspeise-Volumenstroms soll zudem möglichst fein geregelt werden können, um die solar erzeugte Wärme exakt bei der Temperatur in das Fernwärmenetz einspeisen zu können, bei der der Betreiber sie gerne hätte. Hinzu kommt, dass bei der Solaranlage je nach Wetterbedingungen stark schwankende Wärmeleistungen vorliegen. Die Summe dieser volatilen Randbedingungen zusammen mit dem Wunsch, die Einspeisehydraulik möglichst einfach und baulich kompakt, also zum Beispiel ohne größeren Wärmespeicher, realisieren zu können, führen insgesamt zu einer sehr anspruchsvollen Regelaufgabe.
Wie haben Sie das Problem gelöst?
Schmidt: Wir haben uns zunächst einmal angesehen, welche Erfahrungen im Ausland mit solchen Anlagen bereits vorlagen. Insbesondere in Schweden, aber auch in Österreich und Dänemark, gab es zu Projektbeginn schon einige realisierte Anlagen. Die dort ausgeführten Hydraulikkonzepte haben wir auf die eben beschriebenen Anforderungen hin untersucht. Auf diese Art konnten wir vier Grundkonzepte ermitteln, die in allen bisher realisierten Anlagen mit der einen oder anderen Abwandlung, umgesetzt worden waren. Im Anschluss daran haben wir die Versuchsanlage in Düsseldorf so konzipiert, dass die vier Grundkonzepte enthalten sind und wir im Betrieb zwischen ihnen umschalten und sie analysieren können.
Welche Einspeisekonzepte haben Sie erprobt und welche haben sich bewährt?
Schmidt: Wir konzentrieren uns auf die sogenannte Rücklauf-Vorlauf-Einspeisung, also die Entnahme von Fluid aus dem Fernwärmerücklauf und anschließende Einspeisung des erwärmten Fluids in den Fernwärmevorlauf. Dabei handelt es sich einerseits um die von den Fernwärmebetreibern bevorzugte Einspeisevariante. Andererseits stellt sie aufgrund der oben beschriebenen Schwierigkeiten den technisch anspruchsvollsten Fall dar. Die detaillierten Untersuchungen zu den eben genannten vier hydraulischen Grundkonzepten sind noch nicht abgeschlossen. Deshalb können wir derzeit noch keine Ergebnisse zum Vergleich der Konzepte präsentieren.
Worin unterscheidet sich die Wärmeübergabetechnik in Ihrem Projekt von sonst üblicher?
Schmidt: Normalerweise speist die Solarthermie zentral in eine Heizzentrale ein, in der weitere Wärmeerzeuger vorhanden sind. Liefert die Solaranlage mangels Einstrahlung ihre Wärme mit niedrigeren Temperaturen, so wird entweder ein Wärmespeicher vorgewärmt oder ein anderer Wärmeerzeuger übernimmt die Nachheizung auf die gewünschte Zieltemperatur. Bei der dezentralen Einspeisung gibt es keine Möglichkeit zur Nachheizung, das heißt die Solaranlage muss ihre Wärme immer auf der vom Betreiber vorgegebenen Zieltemperatur bereitstellen. Das ist in der Regel die Vorlauftemperatur im Fernwärmenetz.
Zusätzlich wünschen sich die Fernwärmebetreiber, dass möglichst wenige Start-Stopp-Vorgänge bei der Wärmeeinspeisung stattfinden, um mögliche Störungen der Druckverhältnisse im Wärmenetz durch die An- und Abfahrvorgänge der Einspeisepumpen zu vermeiden. Das bedeutet aber, dass erhöhte Anforderungen an die Regelbarkeit der in das Wärmenetz einzuspeisenden Wärmeleistung bestehen, um zum Beispiel kurzzeitige Schwankungen in der solaren Wärmeerzeugung durch eine entsprechende Reduzierung der Einspeiseleistung ausgleichen zu können und nicht durch eine kurzzeitige Betriebsunterbrechung der Einspeisepumpen.
Wie hat sich die dezentrale Solareinspeisung auf das Gesamtsystem ausgewirkt?
Schmidt: In unserem Vorhaben konnten wir aufgrund der geringen Größe der Solaranlage im Vergleich zur Größe des Fernwärmenetzes bislang keine nennenswerten Auswirkungen auf das Gesamtsystem feststellen. Bei großen Solaranlagen kann es allerdings zu stärkeren Beeinflussungen im Wärmenetz kommen – bis hin zur Strömungsumkehr oder zum zeitweisen Abschalten von zentralen Wärmeerzeugern. Diese Effekte müssen bei der Anlagenplanung berücksichtigt werden.
Fernwärmenetze werden meist von Blockheizkraftwerken oder Heizkraftwerken beliefert. Inwiefern bietet die Solarthermie eine Möglichkeit, die Kraft-WärmeKopplung zu ergänzen?
Schmidt: In Zeiträumen mit hoher Stromerzeugung durch erneuerbare Energien wird der Betrieb von Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen seit einigen Jahren zunehmend unwirtschaftlich. Die Betreiber müssen die über bestehende Verträge zugesicherte Wärmelieferung jedoch trotzdem und gegebenenfalls teuer über Spitzenkessel erzeugen. An diesem Punkt setzt das Forschungsvorhaben an. Die dezentrale Einbindung von Wärmeerzeugern auf der Basis erneuerbarer Energien kann in diesen Zeiträumen eine wirtschaftlich sinnvolle und klimaschonende Ergänzung zur konventionellen Kraft-Wärme-Kopplung in bestehenden Fernwärmenetzen sein.
Welches technische Potenzial bietet die Solarthermie als Ergänzung?
Schmidt: Dazu gibt es keine detaillierten Untersuchungen. Werner Lutsch, Präsident des europäischen Fernwärmeverbandes Euroheat & Power und Geschäftsführer des AGFW, nennt allerdings als langfristiges Ziel einen solarthermischen Beitrag von 15 Prozent am gesamten europäischen Fernwärmebedarf bis 2050. Das entspricht einer jährlichen Wärmemenge von zwölf Terawattstunden. Hierfür ist eine Kollektorfläche von 30 Millionen Quadratmetern und somit ein jährlicher Zubau von rund einer Million Quadratmetern erforderlich.
Wie lässt sich das solarthermische Potenzial wirtschaftlich darstellen?
Schmidt: Bei vorteilhaften Randbedingungen lassen sich auch bei der dezentralen solarthermischen Wärmeeinspeisung Wärmegestehungskosten von 50 Euro pro Megawattstunde – vor Förderung – erreichen. Vorteilhaft bedeutet: möglichst große und zusammenhängende Kollektorflächen auf einfach zu installierenden Untergründen und eine einfache Anlagentechnik. Für viele Betreiber wird dabei zunehmend wichtig, dass diese Wärmegestehungskosten nahezu ausschließlich von den Investitionen bestimmt sind und damit keinen Risiken durch schwankende Brennstoffkosten unterliegen. Sie können deshalb für lange Zeiträume fest kalkuliert werden.
Das Interview führte Joachim Berner.