Wer nach Häusern mit weitgehend solarer Energieversorgung sucht, wird auf unterschiedliche Begriffe stoßen: auf Sonnenhäuser und Solarhäuser. Sind das die gleichen Konzepte für klimaschonende Solararchitektur? Wir erläutern Unterschiede und Gemeinsamkeiten und stellen die Akteure vor.
Die „Mutter“ der Sonnen- und Solarhäuser steht in Oberburg im Schweizer Kanton Bern. 40 Jahre ist es her, dass die Brüder Josef und Erwin Jenni das erste ausschließlich solar versorgte Einfamilienhaus Europas gebaut haben. Es ist bis heute bewohnt, und Josef Jenni, der eigentlich schon im Ruhestand sein könnte, ist immer noch in seiner Firma Jenni Energietechnik aktiv. Von dort aus liefert er – wie auch andere Speicherhersteller – Solartanks für Sonnen- und Solarhäuser aus.
Der Funke sprang zunächst von der Schweiz nach Süddeutschland über. In den 1990er Jahren begannen die Firmen des Verbandes der Solar-Partner (zu der Zeit noch unter dem Namen Solar-Einkaufsgemeinschaft) erste Sonnenhäuser nach dem Jenni-Konzept zu bauen. 2004 gründeten sie zusammen mit dem Straubinger Solararchitekten Georg Dasch das Sonnenhaus-Institut e.V. Die Mitglieder, darunter Architekten, Bauunternehmen und Komponenten-Hersteller, planen und bauen weitgehend solar beheizte Gebäude. Mittlerweile gibt es über 2.000 solcher Gebäude in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Südtirol.
Sonnenhaus-Institut: Solarthermie und Photovoltaik für hohe Autarkie bei Wärme, Strom und Mobilität
Drei Kriterien muss ein Gebäude erfüllen, damit es den Kriterien des Sonnenhaus-Instituts entsprechend als Sonnenhaus gilt. Das zentrale Kennzeichen eines Sonnenhauses ist, dass mindestens 50 Prozent des Energiebedarfs für die Raumheizung und Warmwasserbereitung mit Solarenergie gedeckt werden. Dies war lange Zeit mit Solarthermie üblich, mittlerweile kann diese Anforderung aber auch mit einer Photovoltaikanlage in Kombination mit einer solarstromgeregelten Wärmepumpe erfüllt werden.
Das zweite Merkmal ist der niedrige Primärenergiebedarf. Der Primärenergiebedarf bezeichnet nicht nur den im Haus anfallenden Energiebedarf, sondern auch die Energiemenge, die durch vorgelagerte Prozessketten bis hin zur Gewinnung, Umwandlung und Verteilung des jeweiligen Energieträgers benötigt wird. Für Sonnenenergie liegt der Primärenergiefaktor bei null, für den lokalen Brennstoff Holz ist er sehr niedrig. Da Solarenergie einen Großteil des Wärmebedarfs in Sonnenhäusern ausmacht, konnten die Gründungsmitglieder des Sonnenhaus-Institut e.V. einen extrem niedrigen Primärenergiebedarf bestimmen: Bei neu gebauten Sonnenhäusern darf er 15 Kilowattstunden pro Quadratmeter Gebäudenutzfläche und Jahr (kWh/m²a) nicht überschreiten.
Das dritte Kriterium ist die sehr gute Dämmung. Auf die Weise wird der Energiebedarf auf ein Minimum reduziert. Dazu tragen auch Grundsätze der Solararchitektur bei, die bei der baulichen Umsetzung des Sonnenhaus-Konzeptes befolgt werden. So sollte ein Sonnenhaus nach Süden ausgerichtet sein, damit möglichst viel Solarenergie passiv genutzt werden kann. Dies geschieht durch große Fenster und Türen auf der Südseite. Sie lassen Licht und Wärme ins Haus und reduzieren den Energiebedarf.
Solarchitektur ist aktive und passive Nutzung von Solarenergie
Für die aktive Nutzung der Sonnenenergie ist beim klassischen Sonnenhaus die Solarthermie-Anlage zuständig. Damit die Solarkollektoren möglichst viel Heizenergie erzeugen können, sollten sie auf einer nach Süden orientieren Fläche installiert sein. Bei der Dachfläche ist wichtig, dass sie einen steilen Neigungswinkel hat. So wird die Anlage für die tief stehende Wintersonne optimiert. Aus dem Grund eignen sich auch Fassaden als Montageort.
Die Solarwärme, die nicht für die Raumheizung oder Erwärmung des Dusch- und Trinkwassers benötigt wird, wird in einem Langzeitwärmespeicher für die spätere Nutzung vorgehalten. Wichtig ist, dass der Speicher eine mehrstufige Be- und Entladung hat. So werden die unterschiedlichen Temperaturzonen nicht vermischt und das Wasser kann in der gewünschten Temperatur entnommen werden.
Durch technische Weiterentwicklungen können die Wärmespeicher heute kleiner dimensioniert werden, als es in früheren Zeiten der Fall war. Speichervolumen kann aber auch durch Bauteilaktivierung (auch Betonkernaktivierung genannt) geschaffen werden. In dem Fall werden Bauteile aus Beton wie der Boden als zusätzliches Speichermedium genutzt. Auch bei den Aufstellorten der Wärmespeicher gibt es Veränderungen. Sie werden immer häufiger innen am Gebäuderand, zum Beispiel auf der Nordseite eines Gebäudes, aufgestellt und nicht mehr zentral im Wohnraum.
Sonnenhaus – Bandbreite an Technologien für Solararchitektur
Das „Sonnenhaus Standard“ mit Solarthermie-Anlage und Holzheizung ist der Klassiker unter den Sonnenhäusern. Seit dem Jahr 2014 gibt es noch weitere Varianten, um dem Trend zu Photovoltaik Rechnung zu tragen und einen Beitrag zur Energiewende in den Sektoren Wärme, Strom und Mobilität zu leisten. Ziel des Kompetenz-Netzwerks für Solararchitektur ist es, Bauleuten eine Bandbreite an Technologien zu bieten.
Sonnenhäuser mit Photovoltaik
Aufgrund der großen Popularität der PV und da es sinnvoll ist, lokal erzeugten überschüssigen Solarstrom zu nutzen, hat das Sonnenhaus-Institut zwei neue Kategorien für die Einbindung von Solarstromanlagen und unter Einbeziehung des Haushaltstroms geschaffen.
Beim „Sonnenhaus Plus“ werden die Primärenergie-Jahresbilanz des selbst erzeugten Stromes einerseits und die insgesamt verbrauchte Primärenergie inklusive Haushaltsstrom andererseits betrachtet. Ziel ist es, mehr Energie solar zu erzeugen als zu verbrauchen.
Beim „Sonnenhaus autark“ geht das Sonnenhaus-Institut noch einen Schritt weiter. Hier liegt der Schwerpunkt auf der weitgehend netzunabhängigen solaren Eigenstromversorgung, Ziel ist, einen möglichst hohen Autarkiegrad, das heißt 50 Prozent oder mehr zu erreichen. Voraussetzung für einen hohen Autarkiegrad ist ein sparsamer Stromverbrauch, zum Beispiel mit hocheffizienten Haushaltsgeräten und der weitgehenden Vermeidung strombasierter Wärmeerzeugung. Die Nutzung von Überschüssen für die Elektromobilität ist eine Option, die bei einigen Sonnenhäusern auch schon angewendet wird.
Wird in einem Sonnenhaus eine Photovoltaik-Anlage mit einer Wärmepumpe kombiniert, so ist den Experten wichtig, dass diese „solarstromgeregelt“ arbeitet. Dank einer speziellen Regelung, die Mitglieder des Sonnenhaus-Instituts entwickelt haben, wird in diesen Systemen nicht nur bilanziell, sondern real Solarstrom für den Betrieb der Wärmepumpe genutzt.
Darüber hinaus hat der Verein für Bauleute, die mit Erdgas nachheizen wollen, die Kategorie „Sonnenhaus f mit fossiler Nachheizung“ entwickelt. „Gas betrachten wir als Brückentechnologie“, erklärt der Vereinsvorsitzende Georg Dasch, der auf Solararchitektur spezialisiert ist.
Mit Blick auf die erweiterten Kategorien hat das Sonnenhaus-Institut die Definition für diesen Bautyp neu definiert. Sonnenhaus steht nun für Häuser mit hoher Autarkie in der Energieversorgung durch Solarenergie für Wärme, Strom und Elektromobilität.
Initiative Sonnenhaus Österreich: Sonnenhaus 4.0
Die Initiative Sonnenhaus wurde 2011 von österreichischen Ziegel-Unternehmen gegründet, um an praktischen Beispielen zu beweisen, dass die massive Bauweise in Kombination mit einer thermischen Solaranlage gesamtenergetisch effizienter ist als eine extreme Dämmung des Gebäudes.
Geschäftsführer der Initiative Sonnenhaus war von 2011 bis Mitte 2018 Peter Stockreiter, seit Mitte 2018 leitet Hilbert Focke die Geschäfte.
Ein Sonnenhaus nach der Definition der Initiative Sonnenhaus Österreich ist ein Niedrigstenergiegebäude, das seinen Wärmeenergiebedarf zumindest zur Hälfte durch Solaranlagen deckt. Das ursprüngliche Konzept wurde in Anlehnung an das des deutschen Sonnenhaus-Instituts entwickelt.
Solararchitektur für Wärme und Strom von der Sonne
2018 wurde dieses rein auf Solarthermie beschränkte Konzept erweitert. Hilbert Focke erläutert die Entwicklung: „Die hohen Anfangsinvestitionen, die meist nur über Förderungen bezahlbar wurden, die technischen Entwicklungen und die Ansprüche der Sonnenhaus-Interessenten führten zum erweiterten Konzept ‚Sonnenhaus 4.0‘, indem auch Photovoltaik-Anlagen berücksichtigt werden können.“
Darüber hinaus stehen nun mehr nicht nur Einfamilienhäuser, sondern auch mehrgeschossige Gebäude und Siedlungen im Fokus der Weiterentwicklung. „Mit der zwischenzeitlich preiswerten Photovoltaik kann mit selbst erzeugtem Strom sehr rentabel Haushaltsstrombedarf gedeckt oder beispielsweise Wärmepumpen betrieben werden“, so Focke. Auch der fortschreitende Klimawandel mit zunehmenden Hitzeperioden erfordere Right Tech-Konzepte zur Gebäudekühlung, bei denen auch eine gute Tageslichtplanung ausschlaggebend sei.
Das Konzept „Sonnenhaus 4.0“ mit Photovoltaik zur Stromerzeugung für den Eigenbedarf bis hin zur E-Mobilität und Solarthermie als günstigste Variante der Bereitstellung von Wärme eröffne Sonnenhaus-Interessenten eine Vielzahl von Möglichkeiten, die häufig zu einer Kombination dieser Systeme führt.
Laut Initiative Sonnenhaus ist das Ziel des Konzeptes „Sonnenhaus 4.0“ ein kostenoptimales Gebäude mit möglichst hoher Gesamtenergieeffizienz, schadstofffreien Materialen und gesundem, behaglichem Raumklima.
Netzwerk Solarhaus Österreich: Solarhäuser mit CO2-freier Energieversorgung
Das Netzwerk Solarhaus Österreich will die Vermeidung von CO2-Emissionen so konsequent wie möglich umsetzen. Deshalb legen die Gründungsmitglieder einen strengen Maßstab in Bezug auf die CO2-Einsparung an. Das Konzept steht auf zwei Säulen: der konsequent CO2-freien Energieversorgung und der CO2-neutralen Gebäudehülle. Zudem ist das Netzwerk Solarhaus industrieunabhängig. Solarhäuser aus Ziegeln und in Holzbauweise sind möglich.
Eine zu 100 Prozent CO2-freie Energieversorgung ist Pflicht im Solarhaus des 2019 von Peter Stockreiter gegründeten Netzwerks Solarhaus Österreich. Der Energiebedarf für die Raumheizung sowie die Erwärmung des Dusch- und Trinkwassers soll zu mindestens 70 Prozent mit Solarthermie erzeugt werden. Das Netzwerk orientiert sich dabei an den Förderkriterien des österreichischen Klima- und Energiefonds (Demoprojekt Solarhaus Förderung), bei denen dies vorausgesetzt wird, beziehungsweise an den Gebäudekriterien von klimaaktiv. Der Restenergiebedarf kann mit einer Holzheizung oder einer Wärmepumpe erzeugt werden.
Kommt eine Wärmepumpe zum Einsatz, muss der Antriebsstrom mit Solarstrom vom eigenen Dach oder fremdbezogenem zertifiziertem 100% Ökostrom gedeckt werden. Letzteres gilt für die gesamte Stromversorgung in dem Gebäude. Der Bedarf an elektrischer Energie kann wahlweise durch selbst erzeugten Solarstrom oder einen Öko-Stromvertrag mit UZ46-Zertifikat gedeckt werden.
Damit die Solarwärme auch in den kalten Monaten genutzt werden kann, werden große Schichtenspeicher oder Bauteilaktivierung mit oder ohne Erdspeicher eingeplant.
Solararchitektur für CO2-Einsparung
Eine CO2-neutrale Gebäudehülle, der zweite Eckpfeiler des Solarhaus-Konzeptes, kann durch Holzrahmenbauweise mit Stroh- oder Zellulosedämmung oder Holzmassivbauweise erreicht werden. Dies ist allerdings nicht obligatorisch. Bauherren können sich auch für Ziegelmassiv- oder Betonbauweise entscheiden.
Ziel ist in jedem Fall ein gut wärmegedämmtes Niedrigstenergiegebäude mit einem Heizwärmebedarf bis zu maximal 35 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr beziehungsweise erfüllten klimaaktiv-Gebäudekriterien. „Niedrigere Werte für den Heizwärmebedarf sind natürlich möglich und auch erwünscht“, sagt Peter Stockreiter, Gründer, Geschäftsführer und Obmann des Netzwerks Solarhaus Österreich.
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